Geschichte von Koblenz

von Christophe Seiler, Koblenz

Koblenz gehört zu den wenigen Aargauer Gemeinden, deren Namen einen eindeutig römischen Ursprung hat. Die Lage an der Mündung der Aare in den Rhein gab dem Ort den Namen. Lateinisch "confluentia" bedeutet nichts anderes als "Zusammenfluss". Im "Einschlag" wurden Reste der Badeanlage eines römischen Gutshofes gefunden, der vom 1. bis ins 4. nachchristliche Jahrhundert besiedelt war. Ferner legten Archäologen im "Rütenen" die Grundmauern eines römischen Wachtturmes frei; ein solcher soll ebenso im "Frittelhölzli" bestanden haben. Das wichtigste und heute im Gemeindebann zugleich einzige noch im Gelände sichtbare Zeugnis aus römischer Zeit ist jedoch der Wachtturm an der einzigartigen, weitgehend unberührt gebliebenen Flusslandschaft "Laufen". Sein Namen "summa rapida" (oberste Stromschnelle) ist durch eine Inschrift am Turm selbst überliefert. 

Ob seit der Römerzeit bis in die Gegenwart durchgängig Menschen innerhalb der heutigen Koblenzer Gemeindegrenzen siedelten und lebten, ist fraglich und nicht nachweisbar. Schriftliche und archäologische Zeugnisse fehlen seit dem späten 4. Jahrhundert bis zum Ende des 1. Jahrtausends gänzlich. Erst im Zurzacher Mirakelbuch von ca. 1010, das Aufzeichnungen über wunderbare Vorgänge an diesem Wallfahrtsort enthält, ist Koblenz erstmals schriftlich erwähnt. Nachdem das Verenamünster des feuchten und weichen Geländes wegen eingestürzt war, beorderte der Abt des Klosters Zurzach Männer nach Koblenz, die dort aus der Aaremündung für den Neubau der Kirche solide Steine herbeischaffen sollten. Erste im engeren Wortsinn urkundlich und gleichzeitig zunehmend eingedeutschte Belege stammen dagegen erst aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts (1265: Cobliz, 1269: Copoltis, 1281: Koblez usw).

Die Herrschaft, die im Hohen Mittelalter zunächst in den Händen der Freiherren von Klingnau lag, ging 1269 zusammen mit derjenigen über Klingnau an das Bistum Konstanz über. 1415 gelangte das Dorf unter eidgenössische Oberhoheit und somit unter die hohe Gerichtsbarkeit des Landvogts in Baden. Viele auswärtige geistliche und weltliche Herren besassen zudem Rechte und Güter in Koblenz, beispielsweise die Benediktinerklöster St. Blasien und St. Gallen, das Wilhelmitenkloster Sion (Klingnau), die Johanniterkomturei Leuggern, die Freiherrn von Bernau usw. Wie andernorts waren die Rechts- und Besitzverhältnisse weit über das Mittelalter hinaus sehr kompliziert und überdies dauernden Schwankungen unterworfen.

Im frühen Mittelalter gehörte die Gemeinde kirchlich zur Urpfarrei Zurzach. Seit der Gründung der Pfarrei Klingnau um die Mitte des 13. Jahrhunderts ging man jedoch dorthin zur Kirche. 1305 ist erstmals die der heiligen Verena geweihte Dorfkapelle erwähnt. Sie verbrannte in der verheerenden Feuersbrunst von 1795, die zwar "nur" zwei Knaben das Leben kostete, aber ganze 54 Häuser und damit den Grossteil des Dorfes einäscherte. 335 Personen aus 66 Haushaltungen wurden obdachlos. Eine Sammlung in der ganzen Eidgenossenschaft linderte die Not. Die Kapelle wurde 1797 wieder aufgebaut. Aber erst 1814, als in Klingnau eine tödliche Typhusepidemie herrschte, wurde in Koblenz selbst eine Zeitlang jeden Sonntag Gottesdienst gehalten. Als nach dem Abflauen der Krankheit die Koblenzer wieder nach Klingnau zur Kirche gehen mussten, erhob sich ein über hundertjähriger Kampf um einen eigenen Pfarrer und den regelmässigen Gottesdienst im eigenen Dorf. Nach langen, aufreibenden Bemühungen um die Errichtung einer eigenen Pfarrei kam die Lostrennung von Klingnau schliesslich 1927 zustande. 1959 wurde eine neue katholische Kirche errichtet. Der Zuzug von Protestanten führte 1926 zur Gründung der reformierten Kirchgenossenschaft Koblenz und 1940 zum Bau einer reformierten Kirche. Seit 1985 ist ferner die Glaubensgemeinschaft "Zeugen Jehovas" mit einer eigenen Kirche in Koblenz vertreten.

Die Bevölkerung lebte bis in das 19. Jahrhundert hinein neben der Landwirtschaft wesentlich vom Fährdienst, der Schifferei und der Fischerei. Aufgrund alter Vereinbarungen gehört übrigens das Koblenzer Fischereirecht, die letzte verbliebene Privatfischenz auf Aargauer Rheingebiet, bis heute den Ortsbürgern und nicht wie üblich dem Kanton. Bereits im Mittelalter bestand eine Fähre, die in wechselndem auswärtigem Besitz war. Das Fahrrecht stand jedoch nur Bürgern der Gemeinde zu. Überregional bedeutend war die Koblenzer Schiffergenossenschaft der "Stüdeler", die vom grossen Güterumschlag der nahen Zurzacher Messe profitierte und jahrhundertelang das einträgliche Monopol für einen Grossteil der Waren ausübte, welche per Schiff über den gefährlichen Laufen rheinabwärts transportiert werden mussten.

Durch die aufkommenden Eisenbahnen und die Auflösung der Zurzacher Messe verlor der Fluss seine Bedeutung als wichtigste Existenzgrundlage. 1858 löste sich die Stüdler-Genossenschaft auf, die noch in den 1840er Jahren über 60 Mitglieder gezählt hatte. Wie fast überall in der Schweiz geriet zudem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch in unserer Region die Landschaft in eine schwere Krise. Schiene und Strasse ermöglichten den Import billiger Landwirtschaftsprodukte, wodurch die Getreidepreise zusammenbrachen. Der Umstieg auf Viehzucht und Futterbau war jedoch für den wie andernorts typischen Klein(st)bauern, dessen Land aufgrund von Erbteilungen und als Folge der früheren Dreizelgenwirtschaft erst noch völlig zersplittert war, unrentabel. Ein starker Bevölkerungsschwund und die Abwanderung in die Industrie waren die logische Folge. Wie fast im ganzen Bezirk Zurzach schrumpfte die Bevölkerung zwischen 1850 und 1900 um über 20 Prozent, von 709 auf 554 Einwohner. Entsprechend lange dauerte der Auf- und Ausbau der dörflichen Infrastruktur. Technische Neuerungen wie Telefon/Telegraf (1895), Wasser- (1913) und Elektrizitätsversorgung (1915) hielten in Koblenz relativ spät Einzug. Dafür stellte die Güterregulierung von 1912-1914 eine vergleichsweise frühe und beachtliche Leistung dar.

Eine Schultätigkeit in Koblenz ist erstmals 1680 bezeugt, aber erst seit 1820 wurden die Kinder nicht mehr in der Wohnung des Lehrers, sondern in einem neu erstellten Schulhaus unterrichtet. 1903 wurde die Gesamtschule in eine Unter- und Oberschule aufgeteilt und erforderte zwei, mit Einführung der Mittelstufe 1944, drei Lehrkräfte. Heute verfügt Koblenz nebst dem Kindergarten über eine Primarschulabteilung.

So unumkehrbar Bahn und Auto die Schifffahrt zum Erliegen gebracht hatten, so sehr begann man anderseits in Koblenz auch von den neuen Verkehrsmitteln zu profitieren. Bereits 1859 wurde die Bahnlinie Turgi–Koblenz–Waldshut eröffnet. Die zu diesem Zweck erstellte Eisenbahnbrücke nach Waldshut hatte Pioniercharakter und war die erste überhaupt zwischen Chur und Mainz.

Schon sahen unverbesserliche Optimisten Koblenz als wichtigen Zwischenhalt auf einer noch zu erbauenden Schnellzugverbindung von Hamburg nach Genua. Derartige Ambitionen zerschlugen sich zwar relativ rasch. Trotzdem entwickelte sich die Gemeinde mit den neuen Bahnlinien nach Winterthur (1876) und Stein (1892) sowie mit den Strassenbrücken über Rhein (1932) und Aare (1936) zu einem überregionalen Verkehrsknotenpunkt. Aus bescheidenen Anfängen stieg das Strassenzollamt Koblenz zum bedeutendsten aargauischen Grenzübergang auf.

Die Grenzlage erwies sich in mancherlei Hinsicht auch als nachteilig. Im Ersten (1917) wie im Zweiten (1945) Weltkrieg wurde Koblenz beispielsweise von Kampfflugzeugen beschossen. Obwohl besonders das versehentliche alliierte Bombardement von 1945 beträchtliche Sachschäden anrichtete, wurde wie durch ein Wunder niemand verletzt.

Die Gemeinde verzeichnete von 1900 bis 1990 das drittstärkste Bevölkerungswachstum aller Gemeinden des Bezirks Zurzach. Die starke Zuwanderung vor allem von Bundesbahn- und Zollangestellten gab dem Ort ein eigenes Gepräge. Die hohe Mobilität zeigt sich auch nachdrücklich im Zahlenverhältnis zwischen Ortsbürgern und Zugezogenen. Stellten die Ortsbürgergeschlechter der Binkert, Blum, Gassler, Kalt Meier, Müller, Schweri, Wink(ler) noch um 1900 über zwei Drittel aller Einwohner, so ist ihr Anteil heute auf deutlich unter zehn Prozent geschrumpft.

Mit dem Bevölkerungswachstum änderte sich zwangsläufig das Siedlungsbild, eindrücklich und umfassend vor allem in der Nachkriegszeit. Waren bis anhin praktisch nur die Landstreifen am Rhein- und Aareufer besiedelt, wurden nun in rascher Folge landeinwärts die terrassenförmigen, zum Achenberg ansteigenden Plateaus erschlossen. Allein zwischen 1945 und 1990 verdreifachte sich die Zahl der Wohngebäude. Die wichtigsten Gemeindebauwerke dieser Zeit sind Schulhaus (1956/1970), Gemeindehaus und Kindergarten (1963), Friedhof (1969) und ARA (1981). Angesichts der rasanten gesellschaftlichen Veränderungen ist es geradezu erstaunlich, dass sich ein Dorfbewusstsein bewahrt hat. Über zwanzig Vereine bildeten als Träger der Ortskultur einen starken Kitt.

Naturgemäss sind die meisten Koblenzer Pendler. Immerhin traf es 1985 statistisch auf zwei Einwohner eine Arbeitsstelle im Dorf. Dieses im Bezirk relativ günstige Verhältnis ist weitgehende auf den grössten Koblenzer Arbeitgeber zurückzuführen, den Bürostuhlhersteller Albert Stoll Giroflex AG, welcher fast die Hälfte aller Arbeitsplätze in der Gemeinde anbietet. Der Grossteil der Koblenzer Betriebe beschäftigt demgegenüber weniger als 12 Personen. 64 Prozent der Koblenzer arbeiteten 1985 in der Industrie, 33 Prozent im Dienstleistungssektor, nur noch 3 Prozent in der Landwirtschaft.

Die zweite Hälfte der achtziger Jahre stand im Zeichen des Verkehrs. Trotz der 1987 eröffneten SBB-Haltestelle Koblenz-Dorf bleiben allerdings die Spiesse zwischen öffentlichem und privatem Verkehr ungleich lang. Bedenklich in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass die SBB im Frühling 1994 aus Rentabilitätsgründen die Linie Koblenz – Laufenburg für den Personenverkehr aufhoben. Der seither bestehende Bus-Ersatz ist keine valable Alternative für all jene, die über Laufenburg hinaus, beispielsweise nach Basel, reisen möchten.

Die ebenfalls 1987 auf einem Damm erstellte Nordumfahrung entlastete den Dorfkern wesentlich. Zusätzlich bot der Damm Schutz vor Überschwemmungen, unter denen das Dorf bis anhin jahrhundertelang zu leiden gehabt hatte. Die Nordumfahrung konnte anderseits das Problem des weiterhin stetig ansteigenden Grenzverkehrs auf der Strasse nicht lösen.